Neue Erkenntnisse: Warum Haarpflege zu Nierenversagen führen kann

Pressemitteilung /

Chefarzt Prof. Dr. Daniel Grandt informiert über den in Haarglättungsprodukten enthaltenen Stoff „Glyoxylsäure“.

Warum ist Haarpflege ein gastroenterologisches Thema? Ende März 2024 berichtete das New England Journal of Medicine darüber, Anfang April bearbeitete Chefarzt Prof. Dr. Daniel Grandt das Thema bereits in der Fortbildungsreihe für die Ärztinnen und Ärzte der Klinik für Innere Medizin I: Ein in vielen Haarglättungsprodukten enthaltener Stoff kann abdominelle Beschwerden (Schmerzen im Bauchraum) und Nierenversagen verursachen. Endverbraucher, aber auch das Personal im Gesundheitsbereich, sollten wachsam sein und auf Zusammenhänge achten – und die typischen Anzeichen kennen.

Die Verwendung von Haarglättungsmitteln, die die chemische Verbindung Glyoxylsäure enthalten, ist mit einem Risiko für akutes Nierenversagen verbunden. Dies zeigte erstmals eine Publikation aus Israel, in der 26 Fälle von Nierenversagen nach Anwendung von Haarglättungsmitteln beschrieben wurden. Im „New England Journal of Medicine“ Ende März dieses Jahres (Vol. 390, Nr. 12) wurde das Thema aufgegriffen und über eine Patientin berichtet, die dreimal jeweils nach der Anwendung glyoxylhaltiger Haarglättungsprodukte ein vorübergehendes Nierenversagen entwickelte. Zudem wurde in dieser Arbeit im Tierversuch nachgewiesen, dass die äußere Anwendung von Glyoxylsäure zu einer Ablagerung von schädigenden Kalzium-Oxalat-Kristallen im Nierengewebe bei Mäusen führt, wie sie auch bei Nieren-Punktionen von Betroffenen gefunden wurde.

Obacht bei Unwohlsein nach Frisörbesuch mit Haarglättung

Wie bei der Erkrankung einer 24-jährigen Patientin beschrieben, können typischerweise etwa 24 Stunden nach Anwendung eines Haarglättungsmittels mit Glyoxylsäure Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Die Laboruntersuchung kann dann leicht erhöhte weiße Blutkörperchen (Leukozytose) und einen zu hohen Serum-Kreatinin-Wert (dieser bestimmt die Funktionsfähigkeit der Nieren) zeigen. Eine Dialysebehandlung kann vorübergehend notwendig werden.

Das zeigt: „Nierenschädigungen aufgrund von Haarpflegeprodukten können bedrohlich sein“, sagt der bundesweit bekannte Experte für Arzneimitteltherapiesicherheit Prof. Dr. Daniel Grandt, der auf dem Winterberg die Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Diabetologie, Endokrinologie und Infektiologie (Innere Medizin I) leitet, „ein Nierenversagen bemerkt der Betroffene zunächst nicht. Andere Symptome wie Bauchschmerzen (meist vorhanden) oder Reizungen der Kopfhaut mit Übelkeit oder Erbrechen sollten Anlass zur ärztlichen Abklärung geben, wenn sie im Zusammenhang mit einem Frisörbesuch auftreten.“

Glyoxylsäure sollte „ungefährliche Alternative“ für Formaldehyd sein

Seit 2015 wird die chemische Verbindung Glyoxylsäure in Shampoo-, Glättungs- und Styling-Produkten eingesetzt. Glyoxylsäure aktiviert die Glättung der Haarstruktur, das Haar wirkt sogar kräftiger, glänzender, gesünder als vorher. Glyoxylsäure war als Ersatz für das bis zu diesem Zeitpunkt verwendete Formaldehyd gedacht, das krebserregend sein kann, Fehlbildungen verursachen kann und die Schleimhäute reizt. Das Präparat Glyoxylsäure, als „Formaldehyd-frei“ beworben, sollte eine sichere Alternative sein, auch wenn viele Packungsbeilagen betroffener Produkte explizit von „Kontakt mit der Kopfhaut“ abraten.

In den meisten Ländern ist Formaldehyd als Inhaltsstoff inzwischen verboten. Dieses Schicksal könnte auch der Glyoxylsäure bevorstehen, vermutet Prof. Dr. Daniel Grandt: Israel hat als erstes Land bereits im Januar dieses Jahres alle Produkte mit diesem Inhaltsstoff verboten, einige Länder befinden sich derzeit im Prüfprozess und der Neubewertung möglicher Risiken.

"Prüf- und Zulassungsverfahren sollte man überdenken"

Prof. Dr. Daniel Grandt: „Es ist schon beunruhigend, dass eine so leicht im Tierversuch nachweisbare gesundheitsschädigende Wirkung eines als sicher beworbenen Inhaltsstoffes von Lifestyle-Produkten nicht vor Markteinführung der Produkte entdeckt wird, sondern erst, wenn Menschen zu Schaden gekommen sind. Hier sollte man die Prüf- und Zulassungsverfahren überdenken.“

Zurück
Die chemische Verbindung "Glyoxylsäure", die in Haarglättungsprodukten verwendet wird, kann zu Nierenversagen führen.
Portraitfoto Daniel Grandt
Prof. Dr. Daniel Grandt ist Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I auf dem Winterberg.