Was man lernt, wenn man in Afrika Zahnbehandlungen durchführt? Dankbarkeit, sagt Dr. Tina Rodemer. Die 35-jährige Fachzahnärztin der Klinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie und Plastische Operationen auf dem Winterberg war Ende des vergangenen Jahres in Sambia ehrenamtlich als Zahnärztin unterwegs. Zurück kam sie mit viel Respekt für die geduldigen afrikanischen Patienten, einem großen Erfahrungsschatz – und dem Versprechen: „Das war nicht meine letzte Reise dorthin.“ Chefarzt PD Dr. Dr. Christian Knipfer unterstützt das Engagement seiner Mitarbeitenden und möchte aus dem medizinischen Austausch eine feste Tradition seiner Klinik machen.
Zähne ziehen ohne Strom, ohne Wasser, mit kaum Betäubungsmitteln und einer rudimentären Auswahl an Instrumenten – das war für Dr. Tina Rodemer eine der prägendsten Erfahrungen, die sie während ihrer beruflichen Laufbahn je gemacht hat. Die 35-jährige Zahnärztin und Fachzahnärztin für Oralchirurgie ist seit drei Jahren in der Klinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie und Plastische Operationen auf dem Winterberg. Mit der Organisation „Zahnärzte ohne Grenzen e.V.“ war sie im November des vergangenen Jahres nach Sambia im südlichen Afrika gereist. Sambia liegt im Herzen Afrikas und ist bekannt für die Victoriafälle und die traditionelle Gastfreundschaft der Menschen. Aber auch für die Armut der Bevölkerung. 50 Prozent der Menschen leben unter der Armutsgrenze. Der Mangel an Nahrungsmitteln und Gesundheitseinrichtungen sowie die sehr hohe HIV-Prävalenz - jeder Zehnte ist HIV-positiv - sind nur einige der Herausforderungen, vor denen das Land steht.
Zahnhygiene der dort lebenden Menschen verbessern
Die Hauptstadt Lusaka mit der beeindruckenden Zahl von geschätzt mehr als drei Millionen Einwohnern ist 13 Flugstunden und rund 7500 Kilometer Luftlinie von Saarbrücken entfernt. Der Auftrag für Tina und ihre vier Kolleginnen und Kollegen: In den verschiedenen Zahnstationen vor Ort mithelfen, die Zahnhygiene und den Zahnzustand der dort lebenden Menschen zu verbessern. Oder kurz gesagt: Schmerzen zu lindern und Karies vorzubeugen. Einen ausführlichen Einsatzbericht gibt es hier.
Dazu reisten sie von ihrem Stützpunkt am Karibasee bei Siavonga zu verschiedenen Gesundheitsstationen, besuchten Schulen, besichtigten das örtliche Krankenhaus. Sie alle hatten als Privatspende im Gepäck, was in Afrika dringend gebraucht wird: Lokale Anästhesie für die Eingriffe, Instrumente, Medikamente.
Wie sieht die ärztliche Versorgung in Afrika konkret aus?
„Meine persönliche Motivation war zum einen, die Lebensweise und -umstände der Menschen kennenzulernen. Aus beruflicher Sicht wollte ich wissen, wie in benachteiligten Ländern die ärztliche Versorgung konkret aussieht und wie man am besten helfen kann“, sagt die Fachzahnärztin. Jetzt weiß sie aus eigener Erfahrung, was sie zuvor bereits ahnte: Die Behandlungsqualität, die für uns in Europa und vor allem in Deutschland Standard ist, gebe es dort bei Weitem nicht. Es beginne bereits bei der fehlenden Zahnhygiene von Kindern: „Die meisten Kinder hielten zum ersten Mal in ihrem Leben eine Zahnbürste in der Hand, als wir sie verschenkt haben, und haben auch noch nie Zahnpasta gesehen“, berichtet Dr. Tina Rodemer, „Kleinigkeiten, die für uns selbstverständlich sind, existieren dort nicht, beispielsweise ausreichend Füllungsmaterial für kariöse Zähne. Es gibt kaum funktionstüchtige Instrumente, als erstes haben wir das vorhandene Material gesäubert und sortiert. Um Zähne zu ziehen, mussten wir kreativ werden und handwerklich sehr geschickt sein, denn wie hier bei uns auf eine Knochenfräse zurückgreifen konnten wir dort nicht. Auch die Behandlungseinheiten funktionierten meist nicht, da kein Strom verfügbar war“.
Zahnentfernungen auf althergebrachte Weise
So lernten die Zahnmediziner so genannte „Osteotomien“, also umfangreiche Zahn-Entfernungen, auf althergebrachte Weise – mit einem schmalen Hebel und intensivem Klopfen mit der Extraktionszange. Wie das geht, zeigten ihnen andere Zahnärzte mit Afrika-Erfahrung vor Ort. „Diese Art der Zahnentfernung würde kein Patient in einer deutschen Praxis tolerieren“ – darin waren sich die Kolleginnen und Kollegen schnell einig. Trotz oftmals langen Warteschlangen und sengender Hitze hätten die afrikanischen Patientinnen und Patienten geduldig gewartet, bis sie an der Reihe waren: „Mich hat beeindruckt, wie tapfer die meisten von ihnen waren und wie zufrieden die Menschen wirkten mit dem, was sie haben“, berichtet Dr. Rodemer.
Regelmäßiger medizinischer Austausch soll etabliert werden
Und was nimmt sie mit aus der Zeit in Afrika? „Ich bin dankbar für das, was wir hier haben und was für uns alltäglich ist. Auch wenn es abgedroschen klingt: Wenn man gesehen hat, wie andere Menschen leben müssen, welche hygienischen Zustände dort herrschen – dann wird einem viel bewusster, wie gut es uns hier geht, sowohl beruflich als auch privat.“
Einziger Wermutstropfen: Sie hat bei ihrem Besuch in Afrika keinen Elefanten aus der Nähe gesehen. „Unter anderem deshalb muss ich unbedingt wieder hin, der nächste Einsatz ist schon in Planung“, lacht die Fachzahnärztin, „denn Elefanten sind meine Lieblingstiere, die begeistern mich schon seit ich ein kleines Kind war“.
Chefarzt möchte medizinischen Austausch etablieren
Diesen Wunsch unterstützt Chefarzt PD Dr. Dr. Christian Knipfer gern. Als Teilnehmer des Global Health Programmes der Yale Universität USA in Uganda und nach mehreren Auslandseinsätzen, unter anderem in der Mongolei, Nepal und Ecuador, kennt er die Herausforderungen, die nicht nur persönlich vor Ort, sondern auch strukturell mit der Hilfe in benachteiligten Ländern verbunden sind. Kurzerhand stellte er persönlich lokale Betäubungsmittel zur Schmerzausschaltung für die Reise zur Verfügung. „Ich freue mich über die Initiative meiner Mitarbeiterin. Die Etablierung eines regelmäßigen medizinischen und kulturellen Austausches, von der beide Seiten profitieren, liegt mir am Herzen. Die Hilfe zur Selbsthilfe steht dabei im Vordergrund.“