Das Klinikum Saarbrücken hat neben den bestehenden beiden Intensivstationen zwei weitere Intensivstationen eingerichtet. Corona-Beatmungszentren, kurz COBAZ, werden sie genannt. Bis zu 74 Menschen können insgesamt im Notfall in dem Krankenhaus beatmet werden. Im Moment behandelt das Team von PD Dr. Konrad Schwarzkopf, Chefarzt der Intensivmedizin, elf Corona-Patienten auf der Intensivstation.
Schwarzkopf: Es ist ein Krankheitsbild, was wir nicht kennen. Man lernt jeden Tag dazu. Stellt sich darauf ein, versucht zu verstehen, wie diese Patienten, wie die Verläufe bei den Patienten sind. Man überlegt sich, wie man gegen halten kann, gegen Probleme, die es gibt. Also im Augenblick ist es für uns als Intensivmediziner eine sehr spannende und herausfordernde Zeit.
SR.de: Worauf müssen Sie denn bei Ihrer Arbeit mit den Covid19 Patienten besonders achten?
Schwarzkopf: Ein ganz entscheidender Punkt ist, dass das ein Virus ist, das extrem leicht übertragen wird. Das wissen wir ja alle. Deshalb sind wir alle mit Mundschutz unterwegs, machen uns da sicherlich auch zu Hause viele Gedanken. Das verändert die Arbeit natürlich bei uns. Wir alle wissen, dass die Sterblichkeit gar nicht so hoch ist im Vergleich zu anderen schweren Infektionserkrankungen. Aber die Masse an Erkrankten ist das Problem. Die korrekte Durchführung von Hygienemaßnahmen. Das Nachdenken, dass man möglichst keinen Mitarbeiter oder einen anderen Patienten mit dem Virus in Kontakt bringt. Das ist die Herausforderung.
SR.de: Einige der Patienten müssen auch beatmet werden. Was heißt das denn, beatmet zu werden?
Schwarzkopf: Das heißt zunächst einmal, dass wir in dem Augenblick, wo normale Gabe von Sauerstoff über eine Sonde in der Nase oder über eine Maske, die man vors Gesicht bringt nicht mehr ausreicht. In dem Augenblick müssen wir einen Beatmungsschlauch in die Luftröhre einbringen. Diese sogenannte Intubation ist eine sehr kritische Phase, weil man da eben sehr viel mit dem Sekret Kontakt haben kann. Das heißt, da legt man auch spezielle Schutzbekleidung an. Das machen die erfahrensten Kollegen.
Dann steigt man in die Beatmungsphase ein. Diese Patienten haben stark veränderte Lungen, müssen sehr sorgfältig beatmet werden, sehr invasiv beatmet werden, um ihnen eben die Chance zu geben, dass die Lunge sich über Tage und Wochen wieder erholt. Viele von den Patienten werden auf den Bauch gedreht. 16 Stunden am Tag. Das ist ein ganz probates Therapiemittel, das wir einsetzen können. Dann gibt es noch die Beimischung von speziellen Gasen. Stickstoffmonoxid setzen wir immer wieder ein. Es gibt aber auch Patienten, die wir an die Herz-Lungen-Maschine anschließen.
SR.de: Was bedeutet das für die Zeit danach? Also wenn die Patienten wieder genesen, bleiben da Schäden?
Schwarzkopf: Es gibt sehr wenige Informationen über die Zeit nach einer Corona-Pneumonie mit langer Beatmung. Einfach, weil es extrem wenige Patienten in China gab, die das überlebt haben. Wir gehen davon aus, dass es sicherlich die übliche lange Nachsorge-Phase haben wird, wie bei einem ARDS, also einem akuten Lungenversagen des Erwachsenen aus anderen Gründen.
„WIR WERDEN TÄGLICH ÜBERRASCHT, WAS DA PASSIERT“
SR.de: Mit welchen Herausforderungen kämpfen sie denn noch auf der Intensivstation?
Schwarzkopf: Das Problematische bei den nicht beatmeten, nicht intubierten, Corona-Patienten auf einer Intensivstation ist, dass die üblicherweise eingesetzten Techniken zur nicht invasiven Beatmung mit Masken für uns alle ein großes Risiko haben. Dass dann dieser Virus über die nicht dichtsitzende Maske in die Raumluft kommt. Deshalb gibt es auch dringende Empfehlungen, sehr sorgfältig damit umzugehen und sich zu überlegen, wen man überhaupt nicht invasiv beatmet. Wir setzen zum Beispiel dafür eine spezielle Technik ein, wo die Patienten so eine Art Astronautenhelm aufgesetzt bekommen, so dass es für uns fürs Pflegepersonal, für die Ärzte möglichst wenig Kontakt mit dem Virus in der Luft geben kann.
SR.de: Wie verläuft die Krankheit bei den Patienten hier oder wie ist sie auch verlaufen?
Schwarzkopf: Wir werden täglich überrascht, was da passiert. Es ist ein Krankheitsverlauf der bislang für uns nicht so richtig durchsichtig ist. Es gibt Phasen, wo die Patienten eigentlich einen stabilen Eindruck machen und dann geraten sie aus einer ganz stabilen Phase in Abgründe, wo man also extrem invasive Beatmungen machen muss für einige Zeit. Man denkt, man verliert den Patienten, dann stabilisiert er sich auf einmal wieder. Also das ist für uns alle paar Stunden eine große Überraschung, was da passiert.
SR.de: Das heißt es ist auch schwierig aus den Behandlungen jetzt Kenntnisse für kommende Behandlungen zu ziehen?
Schwarzkopf: Ich denke, es ist jetzt eine Phase, in der man über jeden einzelnen Patienten mehr nachdenken und so auch behandeln kann. Weil es jetzt noch nicht so viele sind. Aus jedem dieser Patienten ziehen wir ganz wichtige Erkenntnisse für das, was passieren wird, wenn in einigen Wochen möglicherweise eine ganz große Anzahl von Patienten kommt. Im Augenblick haben wir elf beatmete Patienten mit Corona einliegen. Das ist eine Menge an Patienten, die für uns noch gut händelbar ist, wo man eben wirklich auch individuelle Dinge prüfen kann, überlegen kann, wie man da seine eigenen Abläufe nochmal optimiert. Das Therapiekonzept muss ja auch auf die räumlichen und personellen Möglichkeiten abgestimmt werden. Das sind alles Dinge, die man im Augenblick noch optimieren kann.
SR.de: Weiß man denn irgendetwas über die Risikogruppe hinaus? Also außer älteren Menschen und vorerkrankten?
Schwarzkopf: Auch da ist es zum jetzigen Zeitpunkt so, dass ich mir nicht sicher bin, ob diese Risikogruppe am Schluss das ist, was wirklich bei uns auf die Intensivstation kommt. Ich sehe Menschen, die sind noch keine 50 Jahre alt, haben keine relevanten Begleiterkrankungen, soweit es für uns feststellbar ist. Und die kämpfen um ihr Leben. Also diese Zuordnung, das sind ganz alte Menschen und die haben ganz viele Begleiterkrankungen, sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt im einliegenden Patientenkollektiv nicht.
SR.de: Auf was bereiten Sie sich denn in den kommenden Woche vor und wie läuft das ab?
Schwarzkopf: Da war zunächst einmal die planerische Phase, in der wir überlegt haben, wo wir überall noch Intensivbetten einrichten können. Eine Station haben wir ja schon komplett in Betrieb genommen. Auf der haben wir viele Erfahrungen gesammelt. Wir haben dort Dinge identifizieren können, die verbessert werden müssen im Hinblick auf neue technische Ausstattung. Zum Beispiel haben wir auf dieser Station nur ganz rudimentäre Monitoring-Anlagen haben. Wir müssen zu den Patienten in die Zimmer rein, das ist gefährlich fürs Personal. Wir hoffen, dass wir in naher Zukunft dort moderne Monitoring-Anlagen aufstellen können, mit Zentralen, in denen man von außen raus bestimmte Dinge steuern kann.
Die zweite Phase war, dass wir Schulungsprogramme aufgelegt haben. Es fängt an, dass wir Narkoseärzte, die noch nicht auf der Intensivstation waren, in einem Schulungskurs für eine Woche geschult haben. Die sind jetzt in der Einarbeitung auf den Stationen. Auch die chirurgischen Assistenten werden fit gemacht und die Pflege hat eigene Programme aufgelegt. Wir haben große Freiwilligen-Rekrutierungskampagnen laufen, die in dieser Woche angefangen haben. Das heißt es wird auf allen Ebenen versucht neues Personal zuzuführen.
SR.de: Was bedeutet Corona für den sonstigen Betrieb auf der Intensivstation?
Schwarzkopf: Wir haben nur noch die wirklich lebensnotwendigen Operationen am Laufen. Dadurch ist die Anzahl der „nomalen“ Intensivpatienten deutlich zurückgegangen. Also ich habe normalerweise 35 bis 38 Patienten auf unserer normalen Intensivstation liegen. Diese „normalen“ Patienten sind jetzt zurückgegangen vielleicht auf 15. Das heißt die Vorbereitung auf Corona ist natürlich jetzt im Mittelpunkt der Tätigkeit.
Quelle: Saarländischer Rundfunk, Interview: Nelly Theobald, zum gesamten Beitrag geht es hier.