Anderthalb Jahre lang leidet die 48-jährige Michaela Hess unter starken Schmerzen im oberen Bauch. Als Ursache zeigt sich nach einer langen Ärzte-Odyssee ein versteckter Tumor der Bauchspeicheldrüse - aufgrund seiner Lage eigentlich inoperabel. Die einzige Überlebenschance in solchen Fällen ist eine seltene und risikoreiche OP: die so genannte Appleby-Operation. Durch sorgfältige Recherche entdeckt die Familie aus Saarburg einen Artikel in der „Saarbrücker Zeitung“ über den Chirurgen Dr. Dr. habil Gregor Stavrou – und vertraut dem Team Winterberg das Leben von Michaela Hess an. Der Chirurg übernimmt mit einem interdisziplinären Team den anspruchsvollen Eingriff – und kann der Patientin helfen.
Ein Rückblick aus Sicht der Patientin:
Als Michaela Hess vor anderthalb Jahren von Arzt zu Arzt irrte und die Ursache ihrer nicht enden wollenden Schmerzen im Rippenbogen herausfinden wollte, war ihre größte Sorge: „Bitte lass es keinen Tumor in der Bauchspeicheldrüse sein.“ Daran war ihre Mama einige Jahre zuvor gestorben – „das war ein schrecklicher Leidensweg, den ich mit ansehen musste“, sagt die 48-jährige Saarburgerin heute. Nach einer unbefriedigenden Ärzte-Odyssee hat Michaela Hess dann im Frühjahr dieses Jahres eine Untersuchung im Computertomographen (CT) durchgesetzt, mit der Hand auf den Tisch habe sie gehauen, berichtet sie, sie wollte endlich Gewissheit. Ergebnis: Ein bösartiger Tumor in der Bauchspeicheldrüse.
Ein traumatischer Moment für alle: „Wir standen unter Schock, haben nur noch geheult“, berichtet sie. Das behandelnde Krankenhaus und auch das nächstgelegene Zentrum schlagen als einzige Option eine palliative Chemotherapie vor. Man könne nichts tun. Auf Mediziner-Deutsch heißt das: Nicht resektable Situation – es kann nicht operiert werden.
"Ich wusste direkt: Der Typ ist bombe."
Ehemann Sascha, 49, will diese Prognose auf keinen Fall akzeptieren. „Wir sind im Frühjahr gerade Oma und Opa geworden, unser Leben musste weitergehen“, sagt er – und recherchiert. Im Archiv der Saarbrücker Zeitung wird er fündig: Am 18. September 2020 hat die SZ im „Porträt der Woche“ über Dr. Dr. habil Gregor Stavrou berichtet, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Chirurgische Onkologie auf dem Winterberg – Überschrift: „Der Mann, der Lebenszeit schenken will.“ In dem Text wird Dr. Stavrou in den OP begleitet. Es wird thematisiert, dass und wie er auf dem Winterberg Schwerkranke mit schlechten Prognosen behandelt.
Das Ehepaar schöpft Hoffnung und nimmt Kontakt auf. „Als ich ihm gegenüberstand, hatte ich sofort ein riesiges Vertrauen. Ich wusste direkt, der Typ ist bombe“, sagt die Patientin und ihr Mann ergänzt: „Dr. Stavrou war mein Rettungsanker.“ Sascha Hess‘ Angst um seine Frau war groß, so niedergeschlagen und fertig hatte er sie zuvor noch nie gesehen. Michaela Hess, die sonst „ein Steh-Auf-Mensch“ sei, die „nie jammert oder klagt“, hatte Angst um ihr Leben. Aber schon das Erstgespräch mit ihrem neuen behandelnden Arzt aus dem Team Winterberg habe ihr Vertrauen gegeben – zum ersten Mal blickte sie dem Feind ins Auge: „Dr. Stavrou hat mir die Aufnahmen aus meinem Körperinneren gezeigt, vorher hatte ich die Bilder nie gesehen“, berichtet Michaela Hess, „schon allein das hat mir geholfen, weil ich nun wusste, gegen was ich kämpfen muss – und werde.“
Interdisziplinäres Team plant umfangreiche Behandlung
Der Allgemein- und Viszeralchirurg, mehrfach, in Folge und in verschiedenen Fachbereichen als Focus-Topmediziner ausgezeichnet und verantwortlich für die zertifizierten Zentren der Leber-, Darm- und Pankreaschirurgie auf dem Winterberg, plant mit seinem interdisziplinären Team die umfangreiche Behandlung. Zu diesem Team zählen neben dem OP-Team aus Chirurgen, Operationstechnischen Assistenten und Anästhesisten auch das Untersuchungs- und Behandlungszentrum (UBZ) und die Radiologen aus dem Team Winterberg sowie das Partner-Netzwerk an verschiedenen Standorten, in diesem Fall die an das Caritas-Krankenhaus Lebach assoziierte Onkologische Praxis Oncocare. Michaela Hess erhielt dort ihre OP-vorbereitende achtzyklige Chemotherapie. Diese so genannte „systemische Therapie“ mit der „Chemiekeule“ war notwendig, um den Tumor zu schrumpfen und einen operativen Eingriff überhaupt erst zu ermöglichen.
Komplexe Erkrankungen wie Bauchspeicheldrüsenkrebs können nur in Zentren versorgt werden, die das gesamte Spektrum der Möglichkeiten verfügbar haben. „Vor allem dann, wenn nur außergewöhnliche Techniken und Ansätze helfen können, ist ein starkes Team erforderlich, das sich mit dieser Art von Chirurgie und der Gesamtbehandlungsstrategie auskennt und den Patienten auch persönlich betreut. Solch ausgedehnte Eingriffe und die Therapie gelingen nur in einem guten Netzwerk, in dem alle Ärzte und Behandlungspartner von der Klinik bis zum Niedergelassenen zusammenarbeiten und sich kennen“, erklärt Dr. Dr. habil Gregor Stavrou.
Appleby-OP: Höchstleistung des gesamten Teams
Ihm ist wichtig, Menschen auch in verzweifelten Situationen eine Perspektive zu geben: „Natürlich gelingt das nicht immer, aber wenn gerade in so einem schwierigen Fall bei einer jungen Frau das gesamte Team eine Wahnsinnsleistung erbringt und wir Lebenszeit schenken können – dann haben wir alles richtiggemacht und ich bin sehr stolz. Chirurgie ist und bleibt Teamsport“, bekräftigt der Chefarzt.
Das Team entschied sich für die seltene, hochanspruchsvolle und riskante Operationstechnik „Appleby-OP“, die nach dem Chirurgen Appleby benannt ist. Dabei wurde nicht nur das bösartige Gewächs entfernt. Die Operateure mussten eine vom Krebs ummauerte zentrale Hauptarterie, die alle Organe des oberen Bauchs (Milz, Magen, Leber, Galle, Bauchspeicheldrüse) mit Blut versorgt, abtrennen und deren Blutfluss umlenken. Zuvor hatte das Team der interventionellen Radiologie die Leberarterie verschlossen und den lebenswichtigen Blutstrom durch den Bauchspeicheldrüsenkopf umgeleitet, so dass die große Operation starten konnte. Fünfeinhalb Stunden dauerte der anspruchsvolle Eingriff, bei welchem auch eine so genannte „HoloLens“ zum Einsatz kam – das ist ein Holografie-Gerät, das auf dem Winterberg im Rahmen einer Studie mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern eingesetzt wird. Es ermöglicht dem Operateur, die Anatomie mit „Augmented Reality“- also der dreidimensionalen Darstellung als Projektion auf den Operationsbereich – zu sehen und macht so lebenswichtigere Strukturen sichtbar.
Patientin freut sich auf das weitere Leben ohne Feind im Bauch
Dr. Stavrou hatte die Patientin vor Beginn der Behandlung über die nicht unerheblichen Risiken aufgeklärt. „Er sagte, es sei an der Grenze des chirurgisch Machbaren, was er vorhabe – aber ich wusste, es ist meine einzige Chance.“ Seine Erfahrung schenkt ihr Vertrauen: „Andere hatten mich aufgegeben. Er wollte mich retten.“ Nach der OP die erlösende Botschaft: „Es ist alles raus, die OP ist sehr gut verlaufen, das hat er mir nach der OP gesagt“, berichtet Michaela Hess dankbar, die elf Tage später bereits entlassen werden konnte und sich jetzt erholen muss. Eine postoperative Chemotherapie ist noch geplant, um sicher zu gehen. Auch wenn es nach der Operation kleinere beherrschbare Komplikationen gab, so schöpft Michaela Hess nun immer weiter Hoffnung und ist zuversichtlich. Sie freut sich auf das weitere Leben ohne Feind im Bauch. Begleitet wird sie dabei von Dankbarkeit, die spürt sie jeden Tag: „Der Winterberg ist das Beste, was mir in meinem Leben passieren konnte.“
In der Ausgabe vom 24. Oktober 2023 berichtet die Saarbrücker Zeitung über den Fall.