Corona-Tagebuch: Lydia Pombos Weg zurück ins Leben

Luise Schuh, Gesundheits- und Krankenpflegerin auf der Intensivstation im Klinikum Saarbrücken, ist eine der Corona-Tagebuchschreiberinnen auf dem Winterberg. Seit 2016 gehört sie zum Team Winterberg, hat hier ihre Ausbildung absolviert und verstärkt seit 2019 das Pflegeteam auf der Intensivstation 43. Die 24-Jährige durchläuft derzeit berufsbegleitend die staatlich anerkannte, zweijährige Fachweiterbildung „Fachpflege für Intensivpflege und Anästhesie“.

Sie hat „Frau S.“ (aus dem Corona-Tagebuch), die eigentlich Lydia Pombo heißt, während ihrer Zeit auf der Intensivstation betreut und die 72-Jährige durch schwere Zeiten begleitet. Umso dankbarer fühlt sich unsere Mitarbeiterin, dass sie auch den Weg der Patientin zurück ins Leben erleben durfte. Luise Schuh besuchte Lydia Pombo am Tag, nachdem sie von der Intensivstation auf die Normalstation verlegt wurde – und hat ihr Gespräch aufgeschrieben.

Gesundheits- und Krankenpflegerin blickt auf Patientenschicksal

„Ich habe Frau Pombo gefragt, wie ihre Geschichte ist. Ich wollte wissen, wie es dem Menschen vorher ergangen ist, den wir so lange betreut haben. Und sie wollte von mir ein wenig wissen, was passiert ist, als sie im Koma lag.

 

Alles begann Anfang Dezember. Lydia Pombo ist 72 Jahre alt und gebürtige Portugiesin aus Baden-Württemberg. Ihr stand der schwerste Kampf ihres Lebens bevor, so beschreibt sie mir selbst rückblickend die Situation der vergangenen Wochen.

Alles begann mit harmlosen Erkältungszeichen, nicht untypisch für diese Jahreszeit. Doch schnell entwickelte sich aus einer vermeintlichen Erkältung etwas, was das ganze Leben der Baden-Württembergerin in Frage stellte. Sie selbst kam auf die Idee, dass es sich wohl nicht 'nur' um eine Erkältung handelte. Frau Pombo entschied sich also dazu, sich zu Hause mit Selbsttests auf Covid 19 zu testen. Relativ zügig zeigte der Test ein positives Ergebnis, was die komplette Familie sehr schockierte.

Gesundheitszustand verschlechtert sich rapide

Zur Absicherung ließ sie sich ergänzend von ihrem Hausarzt die Diagnose mittels eines PCR-Tests bestätigen. Zügig verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand. Zu Fieber, Husten, Abgeschlagenheit und Gliederschmerzen kam starke Atemnot. Sie erzählte mir, dass dies zu Hause etwa drei bis vier Tage gut ging, dann entschieden sich ihre Tochter und Enkel, den Rettungsdienst zu informieren. Ab diesem Zeitpunkt fehlten Frau Pombo jegliche Erinnerungen für die kommenden Wochen. Unvorstellbar!

Sie wird in ein Pforzheimer Krankenhaus, nahe ihrer Heimatstadt, eingeliefert, dort kommt sie direkt auf die Intensivstation. Einen Tag versuchen die Teams dort, Lydia Pombo zu stabilisieren und sie mittels einer nicht-invasiven Beatmung über Wasser zu halten. Leider ohne Erfolg, die Infektion ist bereits so weit fortgeschritten, dass die Patientin in ein künstliches Koma versetzt werden muss, um sie zu beatmen. Unter der künstlichen Beatmung hielt Frau Pombo sich auf einem niedrigen Niveau stabil.

Kleeblattsystem: Von Baden-Württemberg ins Saarland

Zu dieser Zeit stiegen die Infektionszahlen deutschlandweit rapide an. So auch in Baden-Württemberg. Die Lage auf den Intensivstationen spitzte sich zu. Der Bund entschied sich dazu, den betroffenen Krankenhäusern über das Kleeblattsystem zu helfen und Patienten strukturiert in helfende Bundesländer zu verlegen. Um die Situation vor Ort in Pforzheim zu entlasten, wurden auch dort Verlegungen geplant. Frau Pombo kam via Lufttransport ins Saarland und wurde auf unserer speziell dafür errichteten Corona-Intensivstation, CoBaz 1, aufgenommen.

Die ersten Tage benötigte sie noch starke Kreislaufunterstützung und wir haben sie insgesamt drei Mal in Bauchlage gelagert, um ihre Lungenfunktion bestmöglich zu unterstützen. Alles in allem stabilisierte sie sich und wir entschieden uns gemeinsam mit unseren Ärzten, die Patientin wach werden zu lassen. Überraschenderweise hat dies sehr gut und ohne große Probleme funktioniert. Als Frau Pombo ausreichend wach war, musste die Patientin erstmal aufgeklärt werden, wo sie ist und was in den vergangenen Wochen passiert ist. Sie selbst hatte gedacht, sie sei im Krankenhaus, weil etwas mit ihrem Herz nicht stimme.

Als man ihr erzählte, dass sie eine schwere Covid-19-Infektion mit künstlichem Koma hinter sich hat und leider auch nicht in ihrer Heimat, sondern hunderte Kilometer entfernt ist, war die Patientin sehr geschockt. Eins der größten Probleme, das besonders die Verständigung erschwerte, war, dass Frau Pombo aufgrund der Trachealkanüle nicht sprechen konnte.

Harter Genesungsprozess

Die nächsten Wochen stand ihr ein harter Genesungsprozess bevor. Sie musste lernen, wieder alleine und ohne Unterstützung von der Beatmungsmaschine zu atmen, die Trachealkanüle musste entfernt werden, sie musste hart trainieren, um ihre Muskulatur wieder gezielt einsetzen zu können. In den ersten Tagen stellte schon das Sitzen im Stuhl oder an der Bettkante mit Unterstützung eine große Herausforderung dar. Doch all das besserte sich im Laufe des Aufenthaltes.

Über Weihnachten hatte die Patientin Besuch von ihrer Tochter und ihren Enkeln, worüber sie sich sehr freute. Nach über vier Wochen auf unserer Intensivstation konnte Lydia Pombo auf eine unserer Normalstationen verlegt werden. So verbrachte sie den Jahreswechsel, nach einem turbulenten Jahresende, auf der Normalstation, von dort aus geht es im nächsten Schritt in eine heimatnahe Rehaklinik.

Das gesamte Team des CoBaz wünscht der Patientin alles Gute für den restlichen Genesungsweg und viel Glück für alles was noch kommt. Toll, dass ich die Patientin auf dem Weg zurück ins Leben begleiten durfte.“


Reportage über CoBaz-Team

ZDF-Nahaufnahme

Das ZDF-Saarlandstudio hat das Team auf der Corona-Beatmungsstation (CoBaz) einen Vormittag lang begleitet und dabei auch Patientin Lydia Pombo an ihrem letzten Tag auf der CoBaz vor ihrer Verlegung auf die Normalstation interviewt.

Den Beitrag "Nahaufnahme: Corona-Beatmungszentrum" finden Sie hier.