Mehr Notfallpatienten erwartet - Winterberg baut in Eigenregie um

Pressemitteilung /

Zahl der Bereitschaftsdienstpraxen sinkt ab 2025 von 12 auf sechs: Weniger Angebot reduziert aber nicht die Nachfrage.

Egal ob verknackster Fuß, Zahnschmerzen, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Polytrauma – mehr als 48.000 Patientinnen und Patienten aller Altersgruppen wurden im vergangenen Jahr in der Notaufnahme im Klinikum Saarbrücken behandelt. Die Schallmauer von 50.000 Notfallpatienten wird voraussichtlich bereits in diesem Jahr durchbrochen. Mit Blick auf das erwartete Gesamt-Patientenaufkommen von Zentraler Notaufnahme (ZNA), Kinder-Notaufnahme sowie der Erwachsenen- und Kinder-Bereitschaftsdienstpraxis geht Dr. Christian Braun, Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor des Klinikums, zukünftig von bis zu 80.000 Patienten pro Jahr auf dem Winterberg aus. 

Überregionales Traumazentrum, Neurovaskuläres Zentrum, Cardiac Arrest Center – Auszeichnungen wie diese bringen zum Ausdruck, welchen Stellenwert der Winterberg für die landesweite Sicherstellung der klinischen Notfallversorgung hat. Mehr als die Hälfe aller versorgten Notfallpatienten kommt nicht aus der Landeshauptstadt selbst. Mit der zum Jahreswechsel angekündigten Schließung von sechs der derzeit noch 12 Bereitschaftsdienstpraxen im Saarland wird der Winterberg als Akut- und Notfallversorger mehr denn je gefordert sein.

Patienten werden Alternativen suchen

Denn klar ist schon jetzt: Weniger Angebot wird nicht automatisch die Nachfrage reduzieren, sondern die Suche nach Alternativen befeuern. So werden sich die Menschen mit akuten gesundheitlichen Beschwerden hilfesuchend auf die verbleibenden Standorte und Angebote konzentrieren. Bereits vor mehr als zwei Jahren hat die Klinikleitung das Zukunftskonzept Gesundheitscampus Winterberg vorgestellt (die Saarbrücker Zeitung hatte hierzu mehrfach berichtet - hinter Bezahlschranke). Zentraler Bestandteil dieser Pläne ist ein sogenanntes intersektorales Notfallzentrum.

Das bedeutet: Statt wie bisher „nebeneinander“ zu arbeiten, sollen die Parallelwelten von Bereitschaftsdienst und Notaufnahme „verschmelzen“ – ein Tresen für alle eintreffenden Patienten. Braun erklärt: „Ohne bürokratische Doppelstrukturen. Die kann und darf sich das Gesundheitssystem weder wirtschaftlich noch in Anbetracht des immer größer werdenden Fachkräftemangels personell leisten.“

Bislang keine sichere Finanzierung für Zukunftskonzept

Braun: „Mit der Schließung der Bereitschaftsdienstpraxen erleben die Menschen gerade, was Strukturwandel im Gesundheitswesen bedeutet – mit ganz konkreten und vor Ort auch spürbaren Veränderungen. Eine der größten, leider aber bisher vielfach ausgeblendeten Herausforderungen ist, dies den Menschen – ohne Angst- und Panikmache, aber auch ohne Sonntagsreden – ehrlich, klar und verständlich zu machen.“ Ein intersektorales Notfallzentrum könne die Patientenströme effektiver steuern und damit die Notfallversorgung den Umständen entsprechend effizienter gestalten.

Doch trotz großer Zustimmung des bereits vor zwei Jahren vorgelegten differenzierten Konzepts lassen belastbare Investitionspläne der Landesregierung für den Gesundheitscampus Winterberg seit Monaten auf sich warten: „Das ist wertvolle Zeit, die verloren geht – zu Lasten der Patienten und Beschäftigten des Winterbergs“, sagt Dr. Christian Braun.

Winterberg rüstet sich in Eigenregie

Weil die derzeitigen baulichen Strukturen an ihre Grenzen stoßen, hat der Winterberg nun eigeninitiiert praktikable Übergangslösungen auf den Weg gebracht. Neben der räumlichen Erweiterung der Bereitschaftsdienstpraxis auf dem Winterberg werden derzeit Wartecontainer vor der Notaufnahme hergerichtet, die in den kommenden Wochen in Betrieb genommen werden.

Auf rund 20 Quadratmetern entsteht ein zusätzlicher Wartebereich mit rund 25 Sitzplätzen, den die Technische Abteilung des Klinikums derzeit baulich vorbereitet. Dies ist mit großen Aufwänden seitens des Klinikums verbunden, aber alternativlos, wie Braun feststellt: „Wir können nicht zuwarten und die Augen vor der Realität verschließen, sondern müssen jetzt in Eigenregie handeln – für unsere Mitarbeitenden, die 24/7 eine medizinische Versorgung auf höchstem Niveau sicherstellen, aber natürlich auch im Sinne der uns anvertrauten Patienten und der Gesundheitsversorgung über die Grenzen der Landeshauptstadt hinweg.“

Umbau der Wartecontainer erfolgt in Eigenleistung

Eine zusätzliche Überdachung, ein Absenken der Bordsteinkanten und ein rollstuhlgerechtes Podest werden für eine wettergeschützte, stolpersichere und barrierefreie Verbindung zwischen ZNA und neu geschaffenem Wartebereich sorgen. Wechselsprechanlage und Kameras sorgen für größtmögliche Sicherheit. Derzeit laufen Dämm- und Trockenbauarbeiten (unser Foto zeigt Trockenbauer Nehat Krasniqi und Schreiner Andreas Meinerzag), gefolgt vom Einbau der Heizung, Klimatisierung und letztlich des Mobiliars. Da es auf dem Markt keine Container von der Stange gibt, die diverse Auflagen, zum Beispiel die Brandschutzvorgaben für Krankenhäuser, erfüllen, leistet der Winterberg aus Kosten- und Zeitgründen diese komplett in Eigenleistung. Parallel wird zurzeit außerdem ein zusätzlicher „Ersteinschätzungsraum“ (Triage-Raum) im zentralen Anmeldebereich der Notaufnahme gebaut.

"Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht."

Dr. Christian Braun: „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, unser ZNA-Team wurde personell verstärkt, unsere Abläufe optimiert, und auch baulich im Rahmen des Möglichen reagiert. All das darf aber nicht den Blick vor der Realität versperren. Die getroffenen Maßnahmen sind bestenfalls Brückenlösungen.“ Statt in Sektorengrenzen, Doppelstrukturen und Silodenken zu verharren, sehe der Winterberg die Zukunft in einem intersektoralen Notfallzentrum. „Nur so werden wir den Winterberg, und damit auch die Notfallversorgung über die Grenzen der Landeshauptstadt hinweg zukunftsfest aufstellen“, sagt Braun.

Die Saarbrücker Zeitung hat in der Ausgabe vom 4. Oktober 2024 darüber berichtet (Bezahlschranke). Auch der SR hat am 4. Oktober 2024 darüber berichtet: Hier geht es zum SR-Beitrag.

Zurück
So sieht der Wartecontainer aus. Derzeit wird er hergerichtet. Eine Rampe, eine Überdachung, eine Wechselsprechanlage sowie eine Kamera werden noch installiert.
Dr. Christian Braun verschafft sich ein Lagebild beim Ausbau des Wartecontainers. Er sagt: "„Wir können nicht zuwarten und die Augen vor der Realität verschließen, sondern müssen jetzt in Eigenregie handeln."
Nehat Krasniqi, Trockenbauer, und Andreas Meinerzag, Schreiner, bereiten zurzeit den Wartecontainer vor. Die Inbetriebnahme soll in den nächsten Wochen erfolgen.
Ein Ersteinschätzungsraum (Triage-Raum), der zurzeit neben der Anmeldung gebaut wird, soll die Abläufe effektiver gestalten.