Die Krankenkasse IKK Südwest besucht derzeit Organisationen im Gesundheitswesen im Saarland und Rheinland-Pfalz im Rahmen einer „Zuhör-Tour“. Die IKK-Vorstände widmen sich dabei schwerpunktmäßig der Notfallreform. Das Klinikum Saarbrücken unterstützt diese Initiative und gewährte Prof. Dr. Jörg Loth daher Einblicke in die Notaufnahme auf dem Winterberg, wo im vergangenen Jahr 48.000 Notfallpatienten aller Altersgruppen und Schweregrade versorgt wurden. Begleitet wurde die "Zuhör-Tour" vom SR, der am 24. Juni 2024 im Aktuellen Bericht dazu einen Beitrag ausstrahlte. Der TV-Beitrag ist hier abrufbar (ab Minute 10:11). Auch im Radio wurde berichtet - zum Hörfunk-Beitrag geht es hier.
Auch die Tagesschau in der ARD hat das Thema vom Winterberg aufgegriffen: Hier geht's zu diesem Beitrag.
"Wir benötigen spürbare Veränderungen"
Überfüllte Arztpraxen und Notaufnahmen, unbefriedigende Patientensteuerung, fehlende Vernetzung der Leistungserbringer – um diese und weitere Missstände zu beheben, soll die Notfallversorgung umfassend reformiert werden. Das plant das Bundesgesundheitsministerium im Rahmen der Notfallreform (NotfallG). „Die derzeitige Notfallversorgung ist gespickt mit Fehlanreizen, was zu einer Über-, aber auch ebenso zur Unterversorgung der gesetzlich Versicherten im Saarland führt. Die Menschen im Saarland haben einen legitimen Anspruch auf eine schnelle und adäquate Akut- und Notfallversorgung. Dazu benötigen wir in den kommenden Jahren aber spürbare Veränderungen, die auch ärztliches Personal und Pflegekräfte entlasten. Aus unserer Sicht ist dazu eine bessere Kooperation der Leistungsbereiche aus vertragsärztlichem Bereich, stationärer Versorgung und Rettungsdienst unverzichtbar. Dabei sind wir gemeinsam mit allen Akteuren zu einer konstruktiven Lösung aufgerufen“, führt Prof. Dr Jörg Loth, Vorstand der IKK Südwest, aus.
„Wir wollen im Dialog mit Vertretern aus Krankenhaus, ambulantem Bereich und Rettungsdienst sowie Politik bewusst den Finger in die Wunde legen und Missstände offen thematisieren. Die Information vor Ort über bereits laufende innovative Projekte der Notfallversorgung, zum Beispiel aus Digitalisierung und sektorenübergreifender Versorgung, soll aber auch nicht zu kurz kommen. Ziel unserer Zuhör-Tour ist es, in Gesellschaft und Politik gemeinsam mehr Aufmerksamkeit für die Dringlichkeit dieser Notfallrefom zu schaffen.“
Klinikum rechnet mit mit Gesamtvolumen von 80.000 Patienten pro Jahr
Das Klinikum Saarbrücken hat eine herausgehobene Position in der Notfallversorgung des Saarlandes und der angrenzenden Region, kein Krankenhaus übernimmt mehr Patientinnen und Patienten vom saarländischen Rettungsdienst. 2023 hat das Team Winterberg 48.000 Notfallpatienten aller Altersgruppen und Schweregrade versorgt, davon zwei Drittel ambulant. Man rechne damit, sagte der Geschäftsführer und Ärztliche Direktor Dr. Christian Braun, dass durch den Konzentrationsprozess der Bereitschaftsdienstpraxen (BDP) in den kommenden Monaten und Jahren das Patientenaufkommen erheblich steigen wird: „Fünf von zwölf Bereitschaftsdienstpraxen werden zum Jahreswechsel 2025 geschlossen, eine von drei Kinder-BDP hat bereits zu. Das merken wir schon jetzt deutlich. Für die Notaufnahmen sind dies große Herausforderungen, denn ein geringeres Angebot reduziert nicht die Nachfrage. Wir alle werden auf die neue Situation, die erwartbar war, reagieren müssen.“
Ein "Weiter so" ist keine Option
Aus diesem Grund hat das Klinikum Saarbrücken als elementaren Bestandteil in sein Zukunftskonzept „Gesundheitscampus Winterberg“ ein intersektorales Notfallzentrum integriert und kalkuliert hier mit einer künftigen Versorgungskapazität von bis zu 80.000 Notfallpatientinnen und -patienten jährlich. Das Konzept zum „Gesundheitscampus Winterberg“ wurde bereits vor mehr als zwei Jahren politischen Entscheidungsträgern vorlegt, die Umsetzung hakt leider noch immer an der ausstehenden Investitionsförderung durch die Landesregierung – während sich die Notfallversorgung in der Region bereits massiv verändert und die Kliniken diese Prozesse bereits jetzt kompensieren müssen. „Ein ‚Weiter so‘ ist keine Lösung“, sagt Dr. Christian Braun, „Unser Konzept steht. Die aktuelle Entwicklung ist nicht von heute auf morgen geschehen, sondern war vorherzusehen.“
Sinnvolle Steuerung der Patientenströme und Fokus auf Patienten-Kompetenz
Beim gemeinsamen Austausch vor Ort stand die derzeitige Situation in den Notaufnahmen im Fokus. Um dem Problem der seit Jahren steigenden Patientenzahlen zu begegnen, waren sich IKK-Vorstand Prof. Loth und Klinikchef Dr. Braun einig, dass eine bessere Patientensteuerung im Notfall unverzichtbar ist. Dafür sollen nach den Reformvorschlägen an Kliniken Integrierte Notfallzentren (INZ) entstehen, die in Zukunft sektorenübergreifend mit den KV-Notdienstpraxen zusammenarbeiten. “Die vielfach beklagte und von vielen erlebte Überlastung der Notaufnahmen muss durch sinnvolle Steuerung begrenzt werden. Zentrale Ersteinschätzungsstellen sind notwendig, um Patienten in Zukunft in die medizinisch geeignete Versorgungsstruktur zu leiten,“ fasste Loth zusammen. Außerdem sprach sich der IKK-Chef beim Rundgang durch die Zentrale Notaufnahme auf dem Saarbrücker Winterberg auch für eine frühzeitige und systematische Stärkung der Patientenkompetenzen aus, um notfallgefährdete Personen und Kinder präventiv auf Notfallsituationen vorzubereiten.
„Das Klinikum Saarbrücken gehört als Maximalversorger im Saarland zu den renommiertesten Ansprechpartnern in der Akut- und Notfallversorgung in der Region. Ich danke Dr. Christian Braun sehr, dass er und sein Team bereit waren, uns Einblicke in den Klinikalltag, insbesondere in die Abläufe einer Notaufnahme, zu gewähren“, so Prof. Loth.